Immer wieder erlebe ich es, dass Keyword-Advertising Kampagnen als Misserfolg eingestuft werden, weil die Verantwortlichen die Berücksichtigung des Kundenwertes vergessen. Das kann ein fataler Fehler sein, wie dieser Beitrag zeigen wird. Das gilt nicht nur für Shopbetreiber. Also lassen Sie sich nicht davon irritieren, dass ich das folgende Beispiel aus dem Blickwinkel eines Shopbetreibers aufgezogen habe.
Die Beantwortung der Frage ob eine Keyword-Advertising Kampagne, ein einzelner Baustein einer Kampagne (Anzeigengrupp) oder gar eine einzelnes Keyword profitabel ist, lässt sich anhand der Gegenüberstellung der jeweiligen Kosten und des Ertrags ermitteln. Der Ertrag wird in der Regel durch den Gewinn definiert, der durch die auf das Keyword-Advertising zurückzuführenden Transaktionen entstanden ist.
In der Praxis arbeiten jedoch die wenigsten Shopbetreiber mit einer Kosten/Ertrags-Gegenüberstellung. In den meisten Fällen ist lediglich das „Google Conversion Tracking“ installiert, welches Auskunft darüber gibt, welches Keyword wie häufig eine Conversion, also einen Kauf ausgelöst hat. Wie Umsatz- oder Gewinnstark dieser Kauf bzw. diese Käufe waren, ist zunächst nicht bekannt. Dem zur Folge kann auch keine Gebots-Entscheidung auf Basis dieser Kriterien erfolgen.
Die Tatsache, dass viele Shopbetreiber sich mit einer Kampagnensteuerung auf Basis von Conversions aus Google Ads (ehemals AdWords) zufrieden geben, ist eigentlich recht ironisch. Denn moderne Trackingsoftware bietet viel mehr. Sogar das kostenlose Google Analytics, welches in Deutschland sehr häufig im Einsatz ist, bietet Umsatzzahlen auf Keyword-Ebene. Hierzu muss das Google AdWords-Konto lediglich mit dem Google-Analytics-Konto verknüpft werden und die E-Commerce Funktion bei Google Analytics eingerichet werden. Je nach Shopsystem ist dies mit wenigen Mausklicks zu bewerkstelligen. Die folgende Abbildung zeigt einen Ausschnitt aus Google Analytics. Betrachet wird die AdWords-Sektion. Man sieht, welche Keywords wie viel Umsatz erwirtschaftet haben. Da Shopbetreiber ihre Margen in der Regel sehr gut kennen, kann nun der Gewinn überschlägig ermittelt werden. Somit ist eine Kosten/Gewinn Gegenüberstellung möglich – und zwar auf Keyword-Ebene. Erst durch die Kenntnis der Kosten/Gewinn Betrachtung auf Keyword-Ebene können die gewinnbringenden Keywords von den Keywords die nur Geld kosten, aber keinen Gewinn erwirtschaften separiert werden.
Doch damit nicht genug. Als wäre das Leben eines Shopbetreibers nicht schon kompliziert genug, fließt jetzt auch noch der sogenannte Kundenwert in die Betrachtung mit ein. Denn unter bestimmten Umständen ist die kurzfristige Kosten/Ertrags-Gegenüberstellung nicht die Kenngröße, an der sich ein Shopbetreiber orientieren sollte. Die folgenden Beispiele machen dies deutlich:
Beispiel – Teil 1
Ein Unternehmen gibt für Keyword-Advertising im Monat 30.000 Euro aus. Die durchschnittlichen Kosten pro Klick sind 95 Cent, die Conversion Rate 4%. Nachweislich sind von den Besuchern, die durch das Keyword-Advertising zur Website des Betreibers gelenkt worden sind, Umsätze im Wert von 200.000 Euro getätigt worden. Der Betreiber rechnet mit einer durchschnittlichen Umsatzrentabilität vor Steuern von 25%. Demzufolge ist der unmittelbar auf das Keyword-Advertising zurückzuführende Gewinn 50.000 Euro. Das Keyword-Advertising ist demnach auf Basis der hier dargelegten Zahlen als profitabel zu bezeichnen.
Wenn nun jedoch der Preis für die Keywords steigt und sich an US-amerikanisches Niveau anlehnt, so würde der Betreiber für die gleiche Anzahl von Besuchern mindestens 90.000 Euro ausgeben müssen. Dem gegenüber stünden dann 50.000 Euro Gewinn; womit die Kampagne einen Verlust von 40.000 Euro einfahren würde. Der Betreiber käme zu dem Ergebnis, dass Keyword-Advertising nicht rentabel ist und würde es einstellen.
Das voran gegangene Beispiel zeigt, zu welchen betriebswirtschaftlichen Fehlentscheidungen man gelangen kann, wenn die “falschen” Kennzahlen für die Beurteilung des Marketingcontrollings herangezogen werden. Beim obigen Beispiel wird der Kundenwert völlig außer Acht gelassen.
Per Definition stellt der Kundenwert (Customer Lifetime Value) den Gewinn dar, den ein Kunde im Laufe der gesamten Geschäftsbeziehung mit einem Lieferanten tätigt. In der amerikanischen Literatur ist die Geschäftsbeziehung als der Zeitpunkt definiert, der zwischen dem Zeitpunkt des Erstkaufes und dem Zeitpunkt des letzten Kaufes liegt.
Unterstellt man einen halbwegs brauchbaren Service und ein vernünftiges Customer Relationship Management, so wird der Betreiber davon ausgehen dürfen, dass ein durch Keyword-Advertising gewonnener Kunde nicht nur einmal bei ihm einkauft, sondern mehrfach. Hat ein Unternehmen Erkenntnisse über den Kundenwert, so wird er bei der Beurteilung der Werthaltigkeit seiner Marketinginvestitionen wahrscheinlich zu vollkommen anderen Ergebnissen kommen. Der durchschnittliche Kundenwert würde sich wie folgt errechnen:
Durchschnittlicher Kundenwert = Summe des Gewinns geteilt durch Anzahl der Kunden – wobei sich die Zahl “Summe Gewinn” auf die Periode der durchschnittlichen Kundenlebenszeit bezieht.
Beispiel – Teil 2
Nehmen wir an, das Unternehmen ist bereits fünf Jahre im Geschäft. Durch die Analyse seiner Verkaufsdaten wurde festgestellt, dass im Durchschnitt der Zeitraum zwischen dem Erstkauf eines Kunden und dem letzten Kauf eines Kunden zwei Jahre beträgt. Der Kundenlebenszyklus (zu Neudeutsch Customer Lifetime) beträgt also zwei Jahre.
Nehmen wir weiter an, das Unternehmen hat in den vergangenen fünf Jahren 50 Mio. Euro Umsatz mit 200.000 Kunden erwirtschaftet. Von diesen 50 Mio. entfallen zwanzig Millionen auf Kunden, die noch keine zwei Jahre bei ihm sind. Es handelt sich um 50.000 Kunden. Was bleibt, sind 30 Mio. Umsatz von 150.000 Kunden. Hieraus ergibt sich ein durchschnittlicher Kundenwert (Average Customer Lifetime Value) von 200 Euro (30 Mio. geteilt durch 150.000 Kunden = 200 Euro).
Mit dieser Kennzahl kann nun die Kampagne wesentlich fundierter ausgerichtet werden und der Erfolg maximiert werden. Kamen wir noch im Beispiel – Teil 1 zu dem Schluss, dass Keyword-Advertising nicht rentabel ist, so muss diese Einschätzung unter Berücksichtigung des Kundenwertes (Beispiel – Teil 2) revidiert werden. Denn: Mit 30.000 Euro werden rund 31.600 Besucher auf die Website gelenkt (30.000/0,95). Ausgehend von einer Conversion-Rate von 4% sind das 1.264 Neukunden (31.600*0,04). Bei einem durchschnittlichen Kundenwert von 200 beträgt der Ertrag bzw. Gewinn also 252.800 Euro. Und während Ihre Mitbewerber aus dem Keyword-Advertising aussteigen, weil sie immer noch die “falsche” Kennzahl für ihr Controlling einsetzen, freuen Sie sich über jeden neuen Kunden – ☺.
Natürlich wirft die Verwendung des Kundenwertes im Marketing-Controlling auch Fragen auf:
Was zum Beispiel, wenn Ihr Unternehmen noch sehr jung ist und keine empirischen Daten vorliegen?
Was, wenn das Verhalten von Kunden, die durch Keyword-Advertising gewonnen werden, von dem Verhalten eines Durchschnittskunden deutlich abweicht?
Was, wenn der Mitbewerber auch plötzlich das Customer-Lifetime-Value-Konzept erkennt und seine Strategie auch darauf einstellt?
Was, wenn es in Ihrer Branche keine Kundentreue gibt und nur Spontankäufe?
Die ausführliche Beantwortung dieser Fragen würde diesen Beitrag sprengen. Daher möchte ich diese Fragen nur in Kurzform beantworten:
Was zum Beispiel, wenn Ihr Unternehmen noch sehr jung ist und keine empirischen Daten vorliegen?
In einem solchen Fall muss mit Schätzwerten, Werten aus Branchenvergleichen, oder Benchmarks gearbeitet werden. Hierzu gibt es je nach Branche zahlreiche Lösungsansätze.
Was, wenn das Verhalten von Kunden, die durch Keyword-Advertising gewonnen werden, von dem Verhalten eines Durchschnittskunden deutlich abweicht?
Der Fall ist eher ungewöhnlich und in meiner doch schon recht langen Karriere erst zwei Mal vorgekommen. In diesem Fall sollte die oben aufgeführte Rechnung nur für die Kunden getätigt werden, die durch Keyword Advertising akquiriert werden. Dieses lässt sich durch Tracking nachhalten.
Was, wenn der Mitbewerber auch plötzlich das Customer-Lifetime-Value-Konzept erkennt und seine Strategie auch darauf einstellt?
Dann wird’s teurer und schlussendlich gewinnt der, der die beste Conversion-Rate erreicht – womit wir wieder beim Thema Usability und Internet-Marketing sind. Außerdem spielt dann der Herstell- oder Einkaufspreis für Produkte oder Leistungen wieder eine größere Rolle im direkten Vergleich der Wettbewerber.
Was, wenn es in Ihrer Branche keine Kundentreue gibt und nur Spontankäufe?
Dann können Sie das hier geschilderte Konzept getrost vergessen. Sie müssen dann Ihr Keyword-Advertising am unmittelbar erziehltem Umsatz/Gewinn orientieren.
In diesem Zusammenhang sicher auch interessant: Seit 1. Februar 2019 am Markt. Die 4. Auflage meines Buches:
Das ist ein guter Beitrag… gefällt mir.
Ja, die notwendigen Daten um optimal zu handeln, bekommt man erst im Laufe der Zeit.